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09.09.2006, Mindelstadion, DFB-Pokal |
Die TSG Thannhausen verweist auf eine fast 150jährige Geschichte organisierten Turnens in der Gemeinde, die 1862 mit dem
Turnverein Thannhausen begann. Fußball spielt man hier seit 1920 - sofort unter dem Dach des Turnvereins. Das geschah zumeist
in den unteren Amateurklassen, aber die Chronik der TSG weist bereits für die 1970er Jahre eine Phase in der Landesliga aus und auch in der Saison 1990/91 verbrachte man ein Jahr in dieser Spielklasse, in der sich die Thannhausener zuletzt auch etablieren konnten - im letzten Jahr sind sie als Tabellenzweiter sogar am Aufstieg in die Oberliga vorbeigeschrammt. Im Jahr 1975 konnte man auch einmal am DFB-Pokal teilnehmen und unterlag vor 4000 Zuschauern den Zweitligakickern von Bayer Leverkusen mit 0:6. Die Dimensionen dieses Spiels werden heute noch mal deutlich gesprengt werden, denn mit Borussia Dortmund haben die Mindelstädter einen der ganz großen Fische aus dem Lostopf gezogen und so dürfte der heutige Tag erst mal als größtes Sportereignis aller Zeiten in die Geschichte von TSG und Gemeinde eingehen.
Alles andere als ein klarer Sieg für den Bundesligisten wäre natürlich eine Überraschung, aber die Anfangsphase der Partie erweckt den Eindruck, die Kontrahenten hätten schon vor der Partie die Trikots getauscht.
Die TSG Thannhausen kommt gegen die unmotiviert agierende Defensive der Borussia zu drei klaren Torchancen - nur Torhüter Weidenfeller verhindert aus Sicht der Schwarz-Gelben Schlimmeres. Nach einer halben Stunde fällt dann aber der Treffer, der dem Spielverlauf bis dahin so gar nicht entsprechen will, als sich mit Tinga einer der wenigen aus dem BVB-Einheitsbrei herausragenden Spieler ein Herz nimmt und den Favoriten mit 1:0 in Front bringt. Bis zur Halbzeit fallen weitere Treffer durch Valdez und Frei, so daß der BVB zumindest mit dem Spielstand zufrieden sein darf, auch wenn Trainer van Marwijk an der Seitenlinie einen eher wutentbrannten Eindruck macht. In der zweiten Hälfte ist die Show dann aber vorbei, der BVB beschränkt sich auf das Verwalten des Vorsprungs, während die Kräfte bei der TSG spürbar nachlassen, so daß darüber spekuliert werden mag, ob ein Rückstand der Borussia nicht auch nur eine Zwischenepisode gewesen wäre, am Ende bleibt es aber auf jeden Fall dabei, daß nur das Ergebnis aus Sicht der Favoriten so halbwegs standesgemäß ist, während über das Zustandekommmen wohl in der kommenden Woche in Dortmund noch diskutiert werden wird.
Mit einem großen Fanfest und diversen Showelementen hat sich die TSG Thannhausen auf die heutige Partie vorbereitet - dazu kommt noch der temporäre Umbau des Stadions, von dem später noch zu sprechen sein wird.
Man bietet traditionelle bayerische Blasmusik, weniger traditionelles Cheerleading und vier Fallschirmspringer, die den Spielball ins Gelände tragen. Nachdem all das unfallfrei überstanden ist, geht es dann ans Spiel, wobei ein kleiner Kinderchor für etwas Support für die TSG sorgt - hier dürften
größtenteils die Jugendmannschaften des Teams aktiv sein -, während sich der BVB-Anhang zunächst auf einer Hintertortribüne breit macht, nachdem hier die Stufen jedoch zunehmend nachgeben, auf den äußeren Bereich der Gegenseite umziehen. Hier ist erst mal festzustellen, daß die Schwenkfahnen, die im Westfalenstadion nicht auffällig groß zu sein scheinen, auf einer Stahlrohrtribüne wie hier geradezu riesig wirken und dann, daß man auf Dortmunder Seite durchgängigen Support abliefert, auch wenn man zwischendurch offensichtlich gelangweilt ist und sich z. B. auch mal über eine längere Phase mit dem Lokalrivalen beschäftigt statt mit der heutigen Partie.
Insgesamt aber kann man wohl sagen, daß sich der Anhang der Dortmunder von seiner positiven Seite zeigt und wenn es später auf der Internet-Seite der TSG heißt, daß die BVB-Fans vor allem dadurch aufgefallen seien, daß sie "die Zusatztribüne demoliert" haben,
erscheint das dann doch eher lächerlich, denn das einzige Vergehen der Gästefans bestand darin, zu den Gesängen zu hüpfen (das allerdings auch nach mehreren Durchsagen, daß man das unterlassen solle), und wer zu einem Fußballspiel eine Zusatztribüne aufstellt, die damit nicht klarkommt, sollte sich eher ein oder zwei Gedanken dazu machen, ob man nicht selbst etwas falsch gemacht hat - aber sei's drum: von Spielen gegen Mannschaften wie den TSV Großhadern oder den FC Königsbrunn ist man derartig wildes Verhalten seitens der Gästefans wohl einfach nicht gewohnt. Allerdings gilt das nur für eine Thannhausener Lokalzeitung, von der das Zitat auf die Homepage der Hausherren (leider ungekennzeichnet) übernommen wurde, während der Verein die Geschichte deutlich gelassener sieht - so sagt zum Beispiel der Ehrenvorsitzende Alexander Graf von Schönborn zum Verhalten der BVB Fans, im Stadion selbst seien zwar einige Tribünenteile beschädigt worden, (man) wolle hier jedoch ausdrücklich keine Absicht unterstellen.
In den kommenden Tagen soll es übrigens noch eine Presse-Kampagne gegen die BVB-Fans und auch den Vorstand des Vereins geben, bei der der "Vandalismus" und das "hooliganhafte Verhalten" der Anhänger des BVB scharf kritisiert werden - beteiligt sind mindestens eine Regionalzeitung im Ruhrgebiet und eine überregionale Tageszeitung. Letztendlich handelt es sich dabei aber bestenfalls um eine bewußte Dramatisierung, schlimmstenfalls um eine gezielte Fehlfinformation zur Meinungsmache, denn sowohl die TSG als auch die Polizei in Tannhausen bescheinigen den BVB-Anhängern, daß sie sich gut verhalten haben. Mehr dazu hier bei der BVB-Fanabteilung sowie hier bei www.bildblog.de
Für die heutige Partie hat man das Mindelstadion vom Dorfplatz mit kleiner überdachter Tribüne in ein Stadion für 10500 Menschen verwandelt, das so
fast doppelt so vielen Zuschauern Platz bietet wie die Gemeinde Thannhausen Einwohner hat. Das ist im wesentlichen dadurch geschehen, daß man jeden zur Verfügung stehenden Platz mit Stahlrohrtribünen zugepflastert hat - sowohl zu beiden Seiten der eigentlichen Tribüne der Anlage als auch auf der Gegenseite und hinter den Toren sind sie aufgestellt und sorgen so für den nötigen Platz. In den jeweiligen Hintertorbereichen des übrigens ohne Flutlicht auskommenden Mindelstadions sind die Zusatztribünen als Stehplatzbereiche gehalten, auf den Längsseiten hat man sie mit Sitzschalen versorgt.
Die Maßnahme war nicht billig, aber der BVB hat sich an den Aufbaukosten der Tribünen beteiligt und so mit dafür gesorgt, daß die TSG ihr Pokalspiel an dieser Stelle austragen konnte und nicht gezwungen war, nach Augsburg (wo freilich auch in dieser Runde im DFB-Pokal gespielt wird), Ulm oder Memmingen ausweichen zu müssen. Nach der Partie sollen die Zusatztribünen übrigens zügig abgebaut werden - wie gesagt ist zumindest die, auf der die Gäste gestanden haben, ohnehin nicht mehr im besten Zustand, so daß es hier schon bald wieder so idyllisch ausschauen wird wie vorher und der Tag des großen Spiels nur noch in der Erinnerung weiterleben wird und die dürften auch auf Seite der Thannhausener ausgesprochen positiv sein - wie man ja auch inzwischen trotz der paar verbogenen Stahlstufen richtig gestellt hat!
Info
Von beiden Seiten aus chaotisch gelaufen ist übrigens der Kartenvorverkauf, was bei den Hausherren angesichts der ungewohnten Dimension des Spiels sicherlich verständlich ist, auf seiten des BVB aber wohl durchaus hätte besser funktionieren können. Recht früh ist der online-Verkauf von Tickets bei der TSG unterbrochen und bei Borussia Dortmund ist nur zu hören, daß es zahlreiche Busse der Fanabteilung zum gesponsorten Sonderpreis von 10 geben soll, so daß es eher unwahrscheinlich erscheint, daß hier Tickets ins den freien Verkauf gehen. Später - nachdem schon erste Tickets in den bekannten Auktionshäusern wegegegangen sind - nimmt zunächst die TSG den online-Verkauf wieder auf und am Ende gelangen in Dortmund so viele Eintrittskarten zu den regulären Vorverkaufsstellen, daß ein großer Teil gar nicht abgesetzt werden kann und 800 Tickets kurzfristig zurück nach Thannhausen geschickt werden. Hier hätte ein wenig mehr Transparenz sicherlich gut getan und es wäre ein guter und umsetzungswürdiger Vorsatz, das in der (den?) kommenden Pokalrunden besser zu machen!
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