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31500 Zuschauer
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Insgesamt 29 türkische Meistertitel stehen auf dem Platz, wenn sich die Istanbuler Lokalrivalen Beşiktaş und Fenerbahce am heutigen
Tag gegenüberstehen. Im kommenden Jahr könnte die Zahl auf 30 angestiegen sein, aber dafür müßten schon die schwarz-weißen Adler des
Beşiktaş Jimnastik Kulübü mit ihrem 13. Titelgewinn sorgen, die vor dem heutigen Spieltag Spitzenreiter Sivaspor mit einem Zähler Rückstand dicht auf den Fersen sind und so noch verhindern könnten, daß der Tabellenführer nach Trabzonspor der zweite Club von außerhalb Istanbuls wird, der sich einen Meistertitel auf den Briefkopf schreiben kann, wobei auch der Club aus Trabzon noch Chancen auf die Meisterschaft hat. Die Titelchancen des Clubs von der asiatischen Seite der Stadt - also von Fenerbahce - sind nur noch theoretischer Natur, da man innerhalb von fünf Spieltagen elf Punkte Rückstand aufholen müßte, aber Nachbarschaftshilfe kann man sich bei Beşiktaş natürlich trotzdem nicht von dem Lokalrivalen erhoffen, denn schließlich geht es heute um viel Prestige, und auch den Anhängern der Gäste würde es eine besondere Freude sein, wenn ihre Mannschaft dem BJK das Meisterschaftssüppchen versalzen würde.
Das heutige Spiel hat sogar noch an Bedeutung für Beşiktaş gewonnen, denn die Gastgeber wissen bei Anpfiff bereits,
daß ihnen ein Sieg die Tabellenführung bescheren würde, da Sivaspor bereits am Nachmittag bei Gaziantepspor gepatzt
und mit 2:1 verloren hat. Die Partie allerdings ist erst mal offen, und auch die Gäste kommen zu Chancen, wohl wissend,
daß ihre Anhänger nach einem Sieg am heutigen Tag viel mehr bereit sein werden, über die insgesamt schwache Spielzeit ihres Clubs hinwegzusehen. In der 33. Minute ist es dann auch so weit und der schön angespielte Yusum Yildirim läßt Ex-
Nationaltorhüter Rüstü per Heber aussteigen, so daß der Ball zum 0:1 in den Maschen landet. Bis zur Pause ist von
Beşiktaş nicht mehr viel zu sehen und neun Minuten nach dem Seitenwechesel hämmert Sarrih das Leder sogar zum 0:2 unter die Latte. Damit scheinen die schwarz-weißen Adler geschlagen, aber zehn Minuten später fällt nach einem dummen Ballverlust von Fener am gegnerischen Strafraum und schnellem Gegenstoß der Treffer zum 1:2 durch Holsoko, der noch mal Leben in die Partie bringt. Jetzt will es Beşiktaş noch mal wissen und drängt die Gäste zurück, die zeitweise sehr unter Druck stehen, allerdings dann auch immer wieder selbst per Konter alles klar machen könnten - zum Teil in Überzahlsituationen. Am Ende bleibt es schließlich bei einem 1:2, so daß an der Tabellenspitze alles beim alten bleibt, und lachender Dritter könnte jetzt Trabzonspor werden, das sich bei nur noch vier Punkten Rückstand zurück ins Rennen um die Meisterschaft gemeldet hat...
Bis auf einen nur mit Polizei besetzten Block ist das Stadion wie bei den meisten Derbys zwischen den großen drei in der Metropole am Bosporus
ausverkauft - allerdings fand noch am Spieltag offizieller Verkauf für den Gästeblock statt, was wohl ein Zeichen dafür sein dürfte, daß die schwache Saisonleistung nicht ganz ohne Auswirkung auf die Moral der Fans geblieben ist. Man singt sich jedenfalls auf beiden Seiten bereits eine gute Stunde vor der Partie warm, wobei etwas hinderlich ist, daß
mit Sichtblenden aus milchigem Plexiglas dafür gesorgt werden soll, daß die gegnerischen Fans möglichst wenig voneinander sehen. Zum Intro wird auf Beşiktaş -Seite eine große Fahne auf der Haupttribüne präsentiert, auf der unter anderem eine türkische Fahne zu sehen ist, und darüberhinaus präsentiert man schon vorher seine Schals und auch ein paar weiße Papptafeln. Bei Fenerbahce verläßt man sich größtenteils auf seine Sangeskünste und wird von mehreren auf dem Zaun stehenden Fans angepeitscht, zeigt allerdings vor Anpfiff zweimal auch größere Spruchbänder. Wenn das ganze Stadion mitmacht und hüpft und singt, kann es schon einmal beeindruckend laut werden, aber zwischendurch - vor allem in der Phase vom 0:1 bis zum Anschlußtreffer - nimmt man auch immer wieder mal längere Pausen. Auf Fenerbahce-Seite ist die Stimmung dagegen verständlicherweise Top und man verfolgt die Partie auf den Schalensitzen stehend und betätigt sich immer wieder mit Singen und Hüpfen, was einer nicht unbeträchtlichen Anzahl der Sitze ein gewaltsames Ende bereitet. Was auch im türkischen Fußball nicht mehr gerne gesehen wird, sind freilich bengalische Feuer, und das einzige, das im Fener-Block entzündet wird, findet dann auch bald das Interesse einer Ordnungskraft, die es dem betreffenden Anhänger aus den Händen reißt und am Boden austritt - allerdings ohne Konsequenzen für den Fan, der es entzündet hat.
Das Inönü-Stadion ist im Distrikt Beşiktaş unweit des Bosporus zu finden und wird zumindest für die nächsten Jahrzehnte die Stätte der Heimspiele
des BJK bleiben, der es 1998 für weitere 49 Jahre angemietet hat und hier seit 2004 vor 32145 Besuchern kicken kann. Damals wurde die
Spielfläche um vier Meter abgesenkt, um diese Marke zu erreichen, nachdem vorher 21000 Menschen in die Anlage paßten. Optisch steht das Stadion komplett im Zeichen der Hausherren - so sind die Sitze blockweise in den Vereinsfarben Schwarz und Weiß gehalten und die Tribünendächer tragen auf einer Längseite ein aufgemaltes Vereinszeichen des Beşiktaş JK und auf der anderen Seite den Namenszug des
Clubs - originellerweise jeweils auf der Dachunterseite. Sind diese beiden Dächer recht stummelartig ausgefallen und überdecken gerade mal Teile des jeweiligen Oberrangs, so ist ein Hintertorbereich - der einzige dreistöckige Teil des Stadions - mit einer richtigen - also zumindest nahezu komplett überpsannenden Überdachung - versehen und die gegenüberliegende Hintertorseite, zu der auch der komplett mit Netzen umspannte Gästeblock gehört, hat man dafür ganz ohne Wetterschutz belassen. Ihren Namen hat die Anlage übrigens von einem Politiker namens İsmet İnönü, der erster Mininsterpräsident und zweiter Präsident der türkischen Republik war und in Ankara im Mausoleum Atatürks beerdigt ist, als dessen Weggefährte er galt. Übrigens wurde es unter diesem Namen eröffnet und trägt ihn auch heute, zwischendurch hörte es aber für über 20 Jahre von 1952 bis 1973 auf die Bezeichnung Mithatpaşa Stadyumu - seit 2004 wurde übrigens die Vereinsbezeichnung der Gastgeber offizieller Namensbestandteil der Anlage, die jetzt komplett BJK Inönü Stadyumu heißt.
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