FC St. Pauli II |
28.08.2013, Millerntor, Regionalliga Nord |
Unter den Stadtderbies in Deutschland dürfte das Hamburger Derby neben der Münchener Version
zu den bekanntesten gehören. Es ist stark von der Rollenverteilung geprägt, denn der HSV ist
nun einmal als Bundesliga-Dinosaurier die eindeutige Nummer 1 in der Stadt, und es würde
wahrscheinlich Basis für einige interessante Sozialstudien sein, sollte sich das einmal für eine
nennenswerte Zeitperiode ändern. Zweitens gilt der FC St. Pauli als der weltoffenere und
politisch "linkere" Verein, spätestens seit es in den 1980er und 1990er Jahren Überschneidungen
zwischen der Hausbesetzerszene an der Hafenstraße und der Fanszene der Kiezkicker gab und
der FC St. Pauli begann, sich eindeutig antifaschistisch und international zu positionieren.
So einfach ist es freilich nicht (mehr?): Auch der Hamburger SV verfügt über
Fangruppen mit eher politisch linker Ausrichtung, und es ist ebenso unfair wie
unrealistisch, die Fans der Rothosen als tumben Faschistenhaufen darzustellen.
Was erhalten geblieben ist, ist die innige Abneigung, mit der man zueinandersteht,
und das gilt natürlich auch für das Amateur-Derby
der zweiten Mannschaften, das heute am Millerntor ausgetragen wird.
In der ersten Hälfte ist die Partie eher chancenarm, wobei es vielleicht leichte Vorteile für
die Gastgeber gibt, der Ball aber kaum gefährlich vor den Toren auftaucht. So ist es dann auch
eine Standardsituation, die nach einer knappen Stunde zum 0:1 führt. Karem Demirbay ist es, der
sich das Leder zurechtlegt und aus 22 Metern im Toreck unterbringt, wobei St.-Pauli-Torhüter
Benedikt Pliquett noch eine Faust am Ball hat, das Gegentor aber nicht mehr verhindern kann.
Der FC St. Pauli reagiert mit etwas verstärkter offensiver Aktivität, aber mehr als ein paar
gute Chancen und ein Abseitstor - eine allerdings sehr knappe Entscheidung von Linienrichterin
Lena Dittman, die ihr eine Diskusson mit St. Paulis entrüstetem Michael Gregoritsch einbringt -
springen dabei nicht raus. Am Ende ist es erneut Dermirbay, der drei Minuten vor dem Abpfiff
von Schiedsrichter Robert Schröder einen Konter zum 0:2 abschließt, das die endgültige Entscheidung zugunsten der HSVer bedeutet.
Die St. Pauli Fans präsentieren ein Transparent, auf dem sie ihre Mannschaft auffordern, den
"Vorstädtern (zu zeigen), dass Zecken beißen", womit man eine alte Stichelei in Richtung des
HSV aufgreift - St. Pauli sei das eigentliche Hamburger Team, während die Rothosen eigentlich
aus der Provinz stammten. Später beschäftigt man sich noch mit der Verpflichtung von St. Pauli
Ikone Fabio Morena durch den Hamburger SV mit einem Transparten "Oh, Fabio! Vom Capitano zum
Herzensbrecher" - weitere Stellungnahmen zu dem Wechsel oder Mißfallensbekundungen gegen den
heute auf dem Platz stehenden Moreno gibt es nicht. Dazu präsentiert man zum Intro der zweiten
Hälfte seine Fahnen und Doppelhalter, und zum zweiten Abschnitt gibt es erst massive
Papierrollenwürfe und schließlich eine stattliche Pyoraktion mit Rauch und bengalischen Feuern,
das eine entsprechend Ansage des Stadionsprechers nach sich zieht. Die Hamburger besetzten ihren
Block zunächst nur spärlich und ziehen schließlich mit einem durchaus spektakulär wirkenden
Auftritt in den Gästeblock ein. Wer allerdings erwartet, daß jetzt der (Gäste-) Mob toben wird und
es heftigen Support geben wird, sieht sich getäuscht - außer weniger Sekunden nach den Toren hat
der Gästeblock größtenteils nur Schweigen zu bieten.
Der FC St Pauli trägt die Heimspiele der 2. Mannschaft normalerweise im Stadion Hoheluft von
Victoria Hamburg aus, aber bei Risikospielen zieht man ins Millerntorstadion um. Das ist natürlich
auch gerade beim kleinen Derby der Fall, bei dem es auch eine streng getrennte Anreise der
Fangruppen über die U-Bahn-Stationen St. Pauli (Heim) und Feldstraße (Gäste) gibt. Freigegeben sind
heute nur die Hintertortribünen mit dem Heimbereich im Süden und dem Gästebereich im Norden. So
ist vor allem der Blick auf die neue Gegenseite frei, auf der es eine für einen Neubau erfreulich
hohe Stehtraverse und darüber ein paar Sitzreihen gibt, so daß die Struktur der Tribüne erhalten
wurde. Das ganze Stadion - insbesondere auch die Blockeingänge - wurden als letzte Verschönerung
von Sprayern verziert, so daß hier jetzt der eine oder andere Spruch und das eine oder andere Bild
zu sehen sind, am größten auf der Gegenseite die Aufschrift "Kein Fußball den Faschisten", mit der
man sein Image gleichzeitig pflegt als auch parodiert, denn die leitet sich natürlich vom bekannten
Anti-Fa-Spruch "Kein Fußbreit den Faschisten ab", der damit durchaus auch leicht ironisiert wird.
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